Ohne Wurzeln keine Flügel, heißt es in der Familienpsychologie. Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nicht, wohin er geht. Seit Menschengedenken gilt die Familie als Wegbereiter für unser Leben. Als Fundament, das uns Halt gibt. Als Heimatboden, in den wir unsere Wurzeln versenken. Ohne diesen Halt, ohne die Kraft der Tradition, fehlt uns häufig die Orientierung. Im schlimmsten Falle lernen wir nicht, unsere Flügel auszubreiten und unsere Talente zu entfalten.
Welch große Bedeutung die Themen Tradition und Familie im Pfedelbacher Unternehmen Hosti haben, wird sofort klar, wenn man das Gebäude betritt. Der beeindruckende Familienstammbaum mit 12 Generationen hängt direkt neben der Eingangstür. Und in jedem Gespräch mit den Geschäftsführern Markus und Hansjörg Stickel fallen Begriffe wie langfristige Ziele, Motivation und gegenseitiger Respekt. „Jeder Mitarbeiter ist ein gleichwertiger Teil der Hosti-Familie“, heißt es. „Und wenn der Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifiziert, wenn er spürt, dass er geschätzt wird und dass er etwas bewegen kann, dann fließt Energie.“ Schnell wird klar, bei Hosti wird anders gedacht. Und das nicht erst seit heute.
Liegt darin der Schlüssel zum Erfolg des Familienunternehmens? 1949 von Emil Stickel gegründet, hat sich die Firma Hosti Schritt für Schritt zum Marktführer ihrer Branche entwickelt. Beim Prägen, Bedrucken und Vertrieb von Einweggeschirr ist man europaweit die Nr. 1. An die 3 Milliarden Pappteller wurden 2009 produziert, bis zu 90 % aus Recyclingmaterial und 10% aus nachwachsenden Rohstoffen. Mit inzwischen 230 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 43 Millionen Euro blickt man auf eine 60jährige Erfolgsgeschichte zurück.
Das Andersdenken hat bei Hosti Tradition. Früh hat man erkannt, dass die firmeneigene Entwicklung und Herstellung der jeweils notwendigen Produktionsmaschinen gepaart mit dem Zauberwort „Energieeffizienz“ einen unschätzbaren Vorteil gegenüber der Konkurrenz darstellen. Konsequente Wärmerückgewinnung, eine Photovoltaikanlage auf dem Firmendach, ein um 50 % reduzierter Energieverbrauch, ISO 14001 und FSC Zertifizierung, um nur einige der Maßnahmen zu nennen. Dieser Vorsprung machte sich in den letzten Jahren immer mehr bezahlt. Drei Wettbewerber wurden bereits übernommen.
Die Entwicklung der Firma soll jedoch nicht nur nach außen, sondern auch nach innen stattfinden. „Teamgeist“, so Hansjörg Stickel, „kommt für mich vor allem anderen. Ich habe jahrelang Handball gespielt und gelernt, dass man alleine nichts erreichen kann. Ja, wir sind stolz auf den Erfolg unseres Unternehmens. Aber ist es nicht schöner, sich gemeinsam zu freuen?“ Wo wir wieder bei einer Hosti-Tradition wären: der Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter. Lange bevor diese Form der Mitarbeitermotivation von der Regierung und den Gewerkschaften „erfunden“ wurde, hat man sie bei Hosti bereits praktiziert. Jeder Mitarbeiter arbeitet in „seinem“ Unternehmen. Es gibt gemeinsame Grillfeste und einen gemeinsamen Besuch beim Weihnachtszirkus. Jeder Mitarbeiter erhält an seinem Geburtstag ein Geburtstagskarte und eine Flasche Sekt. Im Sommer gibt es Hitze-Eis und kostenlos energetisiertes „Grander-Wasser“.
„Respekt füreinander kann man nicht vorspielen.“, so Hansjörg Stickel. „ Jeder merkt, ob es ernst gemeint ist oder nicht. Man muss eben authentisch sein.“ Wie wahr! Gehen doch in Deutschland inzwischen fast 80 % der Angestellten demotiviert zur Arbeit. Warum? Weil sie sich mit der Firma, für die sie tätig sind, nicht mehr identifizieren können und… weil sie sich nicht respektiert fühlen. Wen wundert´s, dass so viele Firmen in der Krise stecken.
Wie es sich für ein traditionsbewusstes und gleichzeitig innovatives Familienunternehmen gehört, plant man die Zukunft selbst, anstatt auf Impulse von außen zu warten. 2003 entwarf man einen 17-Jahres-Plan. Dieser wurde vor kurzem durch einen 99-Jahres-Plan ersetzt. Was auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag in Zeiten, die von kurzsichtigen und kurzfristigen Entscheidungen geprägt sind, hat seinen tieferen Sinn. Als Kontrast zum weit verbreiteten „Nach-mir-die-Sintflut-Denken“ soll mit dem 99-Jahres-Plan das Bewusstsein jedes Einzelnen verändert werden. Oder wie es Hansjörg Stickel ausdrückt: „Das Besondere am 99-Jahres-Plan ist, dass er eine Wirkung hat, die über die eigene Lebenserwartung hinausgeht. Und was dazukommt: Glaubt man an Reinkarnation, dann sollte man doch eine Welt hinterlassen, in die man irgendwann wieder hineingeboren werden möchte…“
Der 99-Jahres-Plan bildet somit auch eine Struktur und ein Fundament für die nächste Generation, die das Unternehmen einmal weiterführen soll.
Pressebericht aus dem Magazin NATURSCHECK, Ausgabe Heilbronn / Hohenlohe, Frühling 2010